Europa zu Gast in Stendal.
„Wir hoffen, dass der ein oder andere Gedanke des heutigen Abends den Weg zur EU-Kommission findet und danach einiges besser wird.“
Mit diesen Worten eröffnete Oberbürgermeister Klaus Schmotz am 10. Februar 2020 das Europagespräch in Stendal. Anschließend startete Moderator Dr. Tino Grosche die Diskussion mit einem kleinen Warm Up, bei dem er das Publikum um eine persönliche Einschätzung zu Europa bat. Die Teilnehmenden waren sich weitestgehend einig, dass die EU ihnen einen guten Ort zum Leben biete und für Frieden und Wohlstand stehe.
Doch direkt der erste Redebeitrag eines Bürgers hinterfragte dies kritisch: In Deutschland stehe die EU vielleicht für Wohlstand, in anderen Ländern jedoch nicht. Sei es nicht problematisch, wenn ein starkes Exportland quasi die EU steuere, während alle anderen von ihm abhängig seien? Nora Hesse von der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, erläuterte, dass fast zwei Drittel von Deutschlands Exporten in EU-Mitgliedsstaaten ginge. Jedoch importiere es dafür auch sehr viel aus anderen EU-Ländern. „Wir haben einen Binnenmarkt und darin sehe ich den größten Vorteil der EU – dass die Menschen sich frei bewegen und handeln können, davon profitieren auch Länder wie Griechenland“, so Hesse. Zudem habe die EU einigen Mitgliedsstaaten mit einer umfassenden Hilfspolitik zur Seite gestanden als diese tief in der Krise steckten. Mittlerweile hätten alle EU-Länder ihre Staatsfinanzen wieder gut im Griff. Das zeige, dass die EU-Politik durchaus Erfolg habe, so Hesse.
Eine weitere, ganz konkrete Frage aus dem Publikum lautete: „Was tut die EU, um strukturschwachen Regionen wie der Altmark zu helfen?“. Dr. Henrike Franz, Leiterin der Abteilung Internationale Zusammenarbeit, Protokoll, Medienpolitik und EU-Angelegenheiten der Staatskanzlei und Ministerium für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt, wies auf die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds hin, von denen das Bundesland schon sehr lange profitiere. „In dieser Finanzperiode sind das drei Milliarden Euro. Das ist sehr viel Geld, das bereits zur Angleichung der Lebensverhältnisse genutzt wird. Wir als Region können entscheiden, wie wir diese Mittel einsetzen“, so Dr. Franz. Oberbürgermeister Klaus Schmotz ergänzte die Ausführungen: „Wir können nicht nur auf die EU schauen, sondern müssen die Dinge auch selbst in die Hand nehmen. Das beginnt bei einer vernünftigen Infrastruktur und endet bei sogenannten weichen Strukturfaktoren, die das Leben hier attraktiver machen, wie Kitas, Schulen oder Theater.“
Auf die Kritik, dass viele Entscheidungsprozesse innerhalb der EU sehr undurchsichtig, kompliziert und langwierig seien, entgegnete Frau Dr. Franz: „Die EU ist kein Schnellboot, sondern eher ein Riesentanker. Wir legen in Deutschland Wert darauf, dass unsere regionalen Interessen eine Rolle spielen. Und dann ist mir ein Riesentanker, der genau das tut, ehrlich gesagt, lieber“.
Neben dem Brexit, dem Umgang der EU mit Russland oder dem afrikanischen Kontinent war der sogenannte Green Deal ein weiteres Diskussionsthema. Die EU strebt bis 2050 eine CO2-neutrale Wirtschaft an. Dafür sei sie, laut Nora Hesse, bereit, viel Geld in Wirtschaft und Entwicklung zu investieren, unter anderem auch, um kleine und mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung der teilweise strengen Vorgaben zu unterstützen. Ein Nicht-Handeln sei keine Alternative, da die langfristigen Folgen deutlich verheerender wären, war sich Hesse sicher. So gäbe es Prognosen, dass die Lebensmittelpreise bis 2050 um 20% steigen, sollte der Klimawandel weiter voranschreiten.
Die Europagespräche in Sachsen-Anhalt sind ein Projekt der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland gemeinsam mit der Staatskanzlei und dem Ministerium für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt, organisiert von der Europäischen Bewegung Sachsen-Anhalt e.V.
Der Einzelne spürt oftmals nichts von der EU, doch kam mit ihr eine bis dahin ungeahnte Freiheit für Kultur, Wirtschaft, Reise und Handel. Wir sind deshalb gut beraten, das gemeinsame Haus Europa aufrecht zu erhalten und stetig zu verbessern.
Klaus Schmotz - Oberbürgermeister der Stadt Stendal